Neben dem historischen Festumzug und der Aufführung zur Dransfelder Hasenjagd, sind die Grenzgänge ein weiterer, wenn nicht der Höhepunkt des Grenzbierfestes. Das ist nicht nur in diesem Jahr so, sondern war es auch in den Jahren 2000, 1975, 1950, 1925 und 1899. Der Ursprung des „Grenzgehens“ liegt aber noch sehr viel weiter zurück. Im Jahre 1809 wird vom „Grenzgehen“ berichtet, woraus die heutige Grenzbegehung und schließlich das Grenzbierfest im Jahre 1899 entstanden ist.
Da in der Bezeichnung des Dransfelder Festes nun einmal auch das Wort „Bier“ vorkommt, wird es in diesem Jahr auch ein extra gebrautes „Dransfelder Grenzbier“ geben. Warum überhaupt ein alkoholhaltiges Getränk im Namen vorkommt, liegt sicherlich daran, daß bei den vorhergehenden Grenzgängen auch immer Alkohol getrunken wurde.
Doch zurück zu den Grenzgängen, bei denen die Grenzsteine kontrolliert und fehlende Steine durch neue ersetzt wurden. Wie es heißt: „… im beiderseitigen Einvernehmen“, also im Beisein des Grenznachbarn. Und deshalb treffen sich auch Bürgermeister, Rat und Bürger der Stadt Dransfeld am ersten und auch zweiten Tage der Grenzbegehungen mit den Vertretern der angrenzenden Ortschaften: Ossenfeld, Varmissen, Bördel, Jühnde, Scheden, Wellersen, Varlosen, Imbsen, Güntersen und Barterode.
VIELES IST ZU ERLEBEN: Neben der Möglichkeit, „Patenschaften“ von Grenzsteinen zu erwerben (in Form von Versteigerungen), kann man bei den Treffen mit den Grenznachbarn so manches Rededuell erleben. Exemplarisch sei hier das Treffen mit den Jühndern beim zweiten Grenzgang zu nennen: „Husch, husch, husch, up Jüne tau. Na höwwet je den Ossen all oben?“ Worauf die Jühnder antworten: „Ne, du Hosenmelker kannst kummen und ine Tunge in Masestecken un schuwen helpen.“
Oder die Geschichte um den „Verschworenen Kop“: Den Streit um ein Grundstück an der Schedener-Dransfelder-Grenze. Als keine Einigung sich anbahnte, sollte der Schäfer durch einen Eid bezeugen, wem das Grundstück zugesprochen werde. Der Schäfer legte den Schwur ab: „… ich stehe auf Schedener Boden!“ Als seine Lebensuhr abgelaufen war, beichtete er, in seinen Schuhen Schedener Boden getan zu haben – so hatte er keinen falschen Eid geleistet, wohl aber die Dransfelder betrogen!
So wird auch in diesem Jahr wieder der alte Streit um den Verlauf an der Schedener Grenze („Verschworener Kop“) entbrennen und die alten Neckrufe ertönen: „Owerscheden, Nejjerscheden, anescheden!“
Seit 1925 gehört zum Grenzbierfest die Aufführung der „Dransfelder Hasenjagd“. Ein Festspiel vom Schmiedemeister Karl Ludewig, Dransfeld, geschrieben und 1924 erstmalig auf der Freilichtbühne am Hohen Hagen aufgeführt. Karl Ludewig hat dem Bürgermeister Grünewald 556 plattdeutsche Reime aus der Zeit um 1653 mit dem Titel: „Historie von den Hasenmelkern und Asinus-Fräters“ zum Theaterstück überarbeitet. Das Theaterstück spielt im Jahre anno 1305. Nach den Aufzeichnungen Grünewalds wurde es aber um 1653 von ihm geschrieben. Im Jahre 1820 sagte der damalige Göttinger Student Aug. Heinrich Hoffmann von Fallersleben, daß es zu den schätzbarsten seiner Gattung zu zählen und der besonderen Aufmerksamkeit „Teutscher Sprachforscher“ würdig sei. Der geschichtliche Auslöser ist die Verleihung des Jagdrechtes für die Dransfelder auf Hasenjagd – gegeben vom Herzog Wilhelm von Braunschweig.
„Die Dransfelder nach der Hildesheimer Bierfehde (1484-1486) hocherfreut über das vom Herzoge Wilhelm dem Jüngeren aus dem mittleren Hause Braunschweig, Herrn des Landes ‚Overwalt‘, am 21. Dez. 1492 erhaltene niedere Jagdrecht.“ So ist zu lesen: „Er (Herzog Wilhelm) hat ihnen (den Dransfeldern) den Willen getan … dat se in öhrer Feldmarke un öhren eignen Holtern Hasen jagen mögen, utbescheiden unse Jagd un mit Winden: de Jagd wir vor uns sülwest behalden wollen.“
Die Aufführung dieser „Dransfelder Hasenjagd“ durch Dransfelder Bürgerinnen und Bürger ist bis in die heutige Zeit ein für die Dransfelder bedeutungsvolles Ereignis. Da unsere Neubürger und Gäste mit der Bezeichnung „Dransfelder Hasenmelker“ wenig anzufangen wissen, soll hier in Kurzfassung das Kapitel behandelt werden.
„… ower min Läben is nich wen ne Scharf. Luie, frei Luie. Mordio, hei her, jei Nobers, die Hose i do!“ (aus der Szene: Begegnung des Pilzmüllers mit dem „Hasen“ wie in plattdeutscher Sprache auf der Bühne zu hören sein wird)
Hochdeutsch: „… aber mein Leben ist nicht wert eine Scherbe. Leute, freie Leute, Mordio, hier her, ihr Nachbarn, der Hase ist da!“
Auf des Pilzmüllers lautes Hilferufen kommen seine Dransfelder Nachbarn herbei – zwar verwundert über die Größe des Hasen – aber froh, gleich am ersten Jagdtag einen so starken Hasen gefangen zu haben. Sie beraten: „… eff sei ne wolln schlachten, eff sei ne wolln braten?“
Das Verhängnis naht durch erscheinende Göttinger Bürger, die bisher ja allein das Recht auf Hasenjagd hatten. Die Göttinger bestreiten das Recht der Dransfelder auf Hasenjagd. Es kommt zum Handgemenge zwischen den Dransfeldern und Göttingern um den Hasen.
Dank der „Hasenmilch“ kam der Müller wieder zu Kräften. Die Göttinger aber zogen mit dem „Hasen“ ab nach Göttingen. Hier schlachteten sie den „Hasen“, welcher sich als ein Esel entpuppte und aßen ihn auf.
Seit diesen Tagen nennt man die Göttinger „Eselfresser“ und die Dransfelder „Hasenmelker“.
